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Holzbau für Visionäre

Holzbau für Visionäre

Holzbau für Visionäre

In Reuthe-Baien steht die neue Montage- und Lagerhalle der Firma von Michael und Matthias Kaufmann. Dank seiner Höhenstaffelung und der breiten, gegliederten Oberlichtbänder hinterlässt das Gebäude unweit der Landesstraße einen maßvollen Eindruck. Hier wird traditionelles Zimmermannshandwerk mit innovativem, industriellem Holzbau verbunden.

Das Hohelied über den Holzbau im Bregenzerwald ist vielen wohl vertraut. Doch man übersieht leicht, dass dahinter weit mehr als die gemütliche Wahrung von Traditionen steckt. Oft haben entschlossene Innovationen und Wagnisse die Entwicklung vorangetrieben. So ist kaum bekannt, dass Michael Kaufmanns Großonkel Josef Kaufmann, der 1952 in Reute eine Zimmerei eröffnet hat, mit zahlreichen technischen Innovationen Mitbegründer eines modernen Holzbaus auf internationalem Standard in Vorarlberg gewesen ist. Mittlerweile ist Michael Kaufmann sechzig. Er kann darauf vertrauen, in seinem Sohn Matthias einen guten Nachfolger für seinen Betrieb aus Tischlerei und Holzbau zu haben. Beiden war klar: „Wir müssen in den industriellen Holzbau investieren, um die Existenz des Betriebs zu sichern. Viele gute Zimmereien im Bregenzerwald machen Ähnliches und wenn man da keine Nische besetzen kann, ist man gleich mal weg. Nichtstun ist auch eine Gefahr.“

Michael und Matthias Kaufmann verbinden Industrie und Handwerk. Ihr Anliegen ist, die Qualitäten des Handwerks um die Möglichkeiten der Serienfertigung zu bereichern. Dabei wird vieles zu einer Frage des Maßstabs. Ob fünf, fünfzig oder fünfhundert Holzmodule produziert werden, entscheidet auch über das Maß an Handwerk, das bei ihrer Produktion möglich ist. Wichtig war den beiden, sich nicht ausschließlich dem Modulbau zu verschreiben, sondern auch dem traditionellen Holzbau genug Raum zu geben. Unter diesen Vorzeichen fiel vor vier Jahren der Entschluss zur Planung eines neue Betriebsgebäudes mit Michael Kaufmanns Bruder Johannes: Ziel war eine leistungsfähige und flexible Halle für den Holzmodulbau. Sie sollte es ermöglichen, am Stück fünfzig bis sechzig Modulboxen samt Innenausstattung und Möblierung rationell und wettergeschützt zu bauen, um sie dann in sehr kurzer Zeit ausliefern und montieren zu können. Die Abläufe in der Halle sind von außen gut ablesbar.

Zwei unterschiedlich hohe Bereiche, der eine mit zehn Metern, der andere mit über 13 Metern Raumhöhe, dienen zur Fertigung und Lagerung. Ein besonders tragfähiges Holzfachwerk aus Buchenholz-Leimbindern auf sechs Stahlbetonstützen trennt die beiden Bereiche. So steht ein Raum von dreißig Metern Breite und achtzig Metern Länge beheizt und wärmegedämmt zur Verfügung. 28 Zentimeter Holzwolle in Wänden und Decke sowie eine Fußbodenheizung schaffen nicht nur ganzjährig optimale Arbeitsverhältnisse, sondern sind im Betrieb auch äußerst wirtschaftlich. So konnte die 2.600 Quadratmeter große Halle ohne Weiteres an die bestehende Hackschnitzelheizung angeschlossen werden, die mit dem eigenen Abfallholz betrieben wird. Zeitweise offenstehende Tore sind auch im Winter kein Problem, da die riesige Bodenplatte aus Beton viel Wärme speichern kann. Hohe, ganz oben angesetzte Fensterbänder sorgen für eine effektive, natürliche Belichtung des Innenraums. Die bis zum Boden reichende Verglasung an den Stirnseiten ermöglicht den Blick nach draußen. Zwei flache, mannshohe Anbauten mit Fenstern dienen den Handwerkern zur Vorbereitung und Ablage bei der Montage. „In meiner Halle schauen zu drei Seiten die Kühe herein“, kommentiert Michael Kaufmann diese intensive Einbindung in die Landschaft. An der Rückseite schließt der große Werkhof an, auf dem bis zu hundert große Holzmodule Platz finden. Durch drei acht Meter breite Tore können Lastwägen vollständig in die Halle einfahren und dort beladen werden. Ein fast drei Meter tiefer Rahmen aus schwarz eingefärbtem Brettschichtholz umfasst die Tore und bietet zugleich eine regengeschützte Lagermöglichkeit entlang der Fassade.

Nur drei Tage braucht es, um die bis unters Dach mit Holzmodulen gefüllte Halle zu leeren. Sie verwandeln sich auf den Baustellen zu Hotels, Schulen oder Wohnanlagen. Nur zwei bis drei Handwerker laden auf, fünfzehn bis zwanzig spezielle Sattelschlepper verlassen während dieser Zeit täglich das Werk, und ein Team von fünf bis sechs Leuten montiert noch am selben Tag vor Ort. All dem gehen vier bis sechs Wochen Produktion in der Halle voraus. Damit die Produktion der Module auch unter Zeitdruck reibungslos funktioniert, sind eine detaillierte Planung sowie eine durchdachte Logistik bei Materialbereitstellung, Produktion und Montage erforderlich. Am Ende der Halle sind in einem schlanken Turm, einer Konstruktion aus Beton und Glas, Räume für die Handwerker, für Besprechungen und für die Planung untergebracht. Beim Modulbau in der Halle sorgen Mitarbeiter von externen Handwerksbetrieben streng getaktet für die Elektro- und Sanitärinstallationen, die Maler-, Glaser- und Fliesenlegerarbeiten sowie den Einbau der Möbel. Danach werden die Module in den über dreizehn Meter hohen Hallenbereich verbracht, um dort endgefertigt und bis zu drei Stück hoch aufeinandergestapelt zu werden. Die Halle hat nicht nur für die Kaufmanns Bedeutung, sondern erfüllt auch eine Rolle für das gesamte regionale Gewerbe. Würde man den Holzmodulbau rein industriell betreiben, müssten an einem verkehrstechnisch günstigen Ort möglichst spezialisierte Arbeitskräfte einen hohen Output erzielen und international ausliefern. Der dem Handwerk und der Region sehr verbundene Ansatz von Michael und Matthias Kaufmann ermöglicht die Produktion im Bregenzerwald. Aufträge für Norddeutschland etwa oder die Schweiz können konkurrenzfähig und ressourcenschonend in Reuthe gefertigt werden. So entsteht eine erweiterte Baustelle, an der parallel zum eigentlichen Bauablauf gearbeitet wird. Fertige Module werden an den Gebäudestandort gebracht und in kurzer Zeit montiert. Die kurze Bauzeit ist bei zeitkritischen Projekten wie Hotel- oder Schul(um)bauten entscheidend. So lassen sich Umsatzverluste oder teure Ersatzbauten vermeiden. Die Baukosten sind mittlerweile mit denen des Massivbaus konkurrenzfähig.

Eingespielte Kooperationen mit anderen Handwerkern steigern die Qualität und bieten diesen neue Exportchancen, die nur im Verbund möglich sind. Matthias und Michael Kaufmann ist es ein Anliegen, dass ihre Mitarbeiter in einem breiten Spektrum an Arbeiten tätig sein können. Die Fertigung von Holzmodulen verlangt hohe Konzentration in knapper Zeit und gleichförmige Montagearbeit. Demgegenüber bietet die klassische Zimmermannsarbeit ein viel breiteres Tätigkeitsfeld und mehr Handwerk. Die Mischung von beidem macht die Arbeit für die Beschäftigten attraktiv. Letztlich zählen die Menschen, wenn es darum geht, Innovation und Qualität zu leisten und dafür die besten Handwerker aus der Region für sich zu gewinnen.

Autor: Robert Fabach
Ausgabe: Reisemagazin Winter 2019-20