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Walser Gold

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Innerhalb von 34 Jahren ist es Vater Hubert und Sohn Johannes Strolz aus Warth gelungen, bei Olympischen Spielen Goldmedaillen zu gewinnen. Die beiden Skisportler, deren Karrieren sich nicht unähnlich sind, gelten seither als Musterbeispiel einer Vater-Sohn-Beziehung.

„Skivergnügen auf Goldniveau“ steht auf dem Transparent. Es hängt an einem verwitterten Heustadel am Ortsausgang von Schröcken und markiert den Weg hinauf nach Warth. Zwei Männer in roten Anoraks sind darauf zu sehen. Sie halten goldene Medaillen in die Kamera und lächeln ein wenig verlegen. Es handelt sich um die Skisportler Hubert und Johannes Strolz. Seit Februar 2022 sind sie vielen Menschen bekannt. Den beiden ist es im Abstand von 34 Jahren gelungen, Olympisches Gold in derselben Disziplin – Alpine Kombination – zu erobern. Jeweils nach langen Jahren des Auf und Ab im Skizirkus. Die Tränen in den Augen von Vater Hubert am Morgen nach dem Goldlauf seines Ältesten zeigten der Öffentlichkeit auch die innige Zusammengehörigkeit der Familie. Die Karriere der beiden Spitzensportler ist ähnlich verlaufen: Schon im Volksschulalter entdeckten sie die Begeisterung für das Skifahren und den Rennsport. Sein Vater Ewald sei Skilehrer in Warth gewesen, erzählt Hubert Strolz, „aber Erwartungshaltung gab es keine.“ So hielt er es auch mit den eigenen Kindern: „Kein Zwang.“ Tochter Anna Maria sei eine hervorragende Skifahrerin, aber für Wettkämpfe habe sie sich nie begeistern können. Ganz anders Sohn Johannes. 1992 geboren, schlug er den Weg des Vaters ein und absolvierte im Dezember 2013 in Val d’Isère seinen ersten Weltcup-Riesentorlauf. „Mein Papa war immer ein Riesenvorbild und ein sehr wichtiger Mensch für mich“, erklärt Johannes Strolz. „Ich habe viel von ihm gelernt und tue es noch.“ Hubert Strolz war zehn Jahre alt, als er 1972 beschloss, aus der Warther Dorfschule in den ersten Jahrgang der neuen Skihauptschule in Schruns zu wechseln: „Ich wollte das unbedingt!

Aber am Anfang war mein Heimweh schrecklich, und die Fahrt vom Montafon nach Warth im Winter eine Halbtagesreise.“ Dennoch schwärmt der heute 61-Jährige von den 1970erund 1980er-Jahren, als ein großer Teil des Vorarlberger Skinachwuchses wie Marc Girardelli, Mathias Berthold, Rainer Salzgeber und Anita Wachter gemeinsam mit zwei Betreuerinnen in einer Pension in Schruns wohnte. Morgens saßen die Kinder in der Hauptschule, nachmittags war Training. Bei der Hangbesichtigung eines FIS-Rennens Ende der 1970er-Jahre in Tirol stand Grünschnabel Strolz erstmals neben seinem Idol, dem Schweden Ingemar Stenmark: „Ich habe nur ehrfürchtig in seine Richtung geschaut.“ 1984 besteigt er als Zweitplatzierter das Siegertreppchen des Riesenslaloms in Adelboden gemeinsam mit Stenmark: „Ein unbeschreibliches Gefühl.“ Der Schweizer Skiort entpuppte sich 2022 auch als Glücksort für seinen Sohn Johannes: Nach vielen Rückschlägen holte er sich in Adelboden mit 29 Jahren seinen ersten Weltcupsieg: „Als ich im Ziel abgeschwungen bin, ist eine enorme Last von meinen Schultern abgefallen. Ich werde nie vergessen, wie sich das angefühlt hat!“ Hubert Strolz stand zwischen 1980 und 1994 34-mal auf dem Podest, gewann neben der Gold- und Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Calgary 1988 jedoch nur eine einzige Weltcup-Kombination. Dass der zweite Platz irgendwann zu seinem Markenzeichen wurde, bekümmert den ruhigen Walser heute nicht mehr. Wenn er von seiner aktiven Zeit erzählt, schwärmt er von den Ländern, die er bereist, von dem, was er dort erlebt hat und von all den Menschen, die sein Leben berührt haben. Die „Freude am Skifahren“, auf die Hubert Strolz in behutsamer Gelassenheit immer wieder zurückkommt, ist kein leeres Mantra, sondern Teil seines Wesens.

Dass er „im Moment mit Freude Sk fahren würde“, bescheinigte Hubert Strolz in einem TV-Interview wenige Wochen vor den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking auch seinem Sohn Johannes. Der Vater sah richtig: Nach einer Saison, die Johannes, der im Jahr zuvor aus dem österreichischen Kader geflogen war, auf eigene Faust als Solo-Sportler ohne Team und Technikmannschaft bestritten hatte, holte er in Peking zweimal Gold und einmal Silber für Österreich. Für den jungen Olympiasieger stand neben der Medaille vor allem die Gewissheit im Mittelpunkt, „dass meine sportliche Karriere weitergehen kann. Dass ich das, was ich am liebsten mache, auch weiterhin machen kann.“ Es sei unbeschreiblich schön gewesen, wie viele Menschen sich mit ihm gefreut hätten, fügt Johannes hinzu. Sie hätten während der Olympischen Spiele das „Haus Hubertus“ vor lauter Begeisterung und dank Zeitverschiebung bisweilen um vier Uhr früh aus dem Schlaf geklingelt, erinnert sich Hubert Strolz und lacht. Monatelang standen die beiden danach im Rampenlicht und wurden als Musterbeispiel einer idealen sportlichen Vater-Sohn- Beziehung herumgereicht: „Die Anteilnahme der Menschen war überwältigend – in jeder Hinsicht!“ In der Skisaison 2022/23 mit der Weltmeisterschaft in Courchevel/Méribel ruhten die Medaillenhoffnungen vieler auf Johannes Strolz. Sie sollten sich nicht erfüllen. „Man soll als Rennfahrer an den Start gehen und einen geilen Lauf hinlegen. Und fertig!“, erklärt Vater Hubert. Er weiß, wovon er spricht. „Aber wenn solche Erwartungen auf dir lasten, rückt Lockerheit in weite Ferne. Der Druck, den man sich selbst macht, ist gigantisch. So etwas wegzustecken ist eine enorme Aufgabe.“

Einen Tag nach der in eigenen Worten „vermurksten Fahrt“ beim Kombinationsslalom in Courchevel ist Johannes Strolz zurück in Warth. Jammern liegt nicht in seiner Natur: „Ich habe es versemmelt“, lautet sein lakonischer Kommentar. Sein Elternhaus am Dorfende von Warth ist für ihn der Rückzugsort, wo er inmitten seiner Familie seine Ruhe zurückgewinnen kann. Und die Freude am Skifahren. Vater Hubert ist nach seinem Karriereende 1994 nach Warth zurückgekehrt. Er wurde Skiführer und Landwirt und verabschiedete sich vom Profiskisport: „Nicht wegen dem Sport, sondern wegen der vielen Reisen. Ich wollte Zeit mit meiner Familie verbringen.“ Bereits während seiner aktiven Zeit hatte er 1990 mit seiner Frau Birgit die Pension seiner Eltern übernommen: Das „Haus Hubertus“ führen die beiden bis heute. Bis 2007 leitete Hubert Strolz die Skischule Warth. Im selben Jahr übernahm er den landwirtschaftlichen Betrieb von Vater Ewald und gestaltete ihn zu einem Biomilchbauernhof um. Heute bewirtschaftet Hubert den Bauernhof gemeinsam mit seinem Sohn. „Wir sind ein sehr gutes Team“, sagt Johannes. „Mein Vater ist sehr geduldig bei Arbeiten, die ein wenig ‚Futzlerei‘ benötigen, während ich sehr gut darin bin, Dinge zu planen und zu organisieren. Wir ergänzen uns hervorragend.“ Auch wenn Hubert Strolz noch immer stundenlang über Skitechnik philosophieren kann und das mit seinem Sohn auch gern macht, spricht er mittlerweile mit derselben Hingabe über die Vorteile der Rasse Original Braunvieh, die er heute züchtet. Egal ob Ski oder Kuh: Robustheit und perfekte Geländetauglichkeit am Hang sind entscheidend.

Autorin: Babette Karner
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Winter 2023-24